Die Verordnung (EU) 2022/1925 des Europäischen Parlaments und des Rates, besser bekannt als Digital Markets Act (DMA), ist am 7. März 2024 in Kraft getreten. Das Gesetz wurde bereits 2022 mit dem Ziel verabschiedet, große Digitalkonzerne stärker zu regulieren.
Im Mittelpunkt des DMA stehen die sogenannten Gatekeeper. Damit sind Unternehmen gemeint, die zentrale Plattformdienste anbieten, die für den Zugang zum Endkunden eine besonders wichtige Rolle spielen und aufgrund ihrer Größe und Marktposition eine monopolistische oder monopolähnliche Stellung einnehmen.
Die Europäische Kommission hat bisher sechs Gatekeeper explizit benannt: Alphabet (Google), Amazon, Apple, Bytedance (Tiktok), Microsoft sowie die WhatsApp-Mutter Meta.
Diese betreiben insgesamt 22 Plattformen, die im Zuge des DMA ohnehin stärker reguliert werden. Das bedeutet vor allem, dass sie die jeweiligen Plattformen für andere Marktteilnehmer öffnen müssen, um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.
Quelle: ec.europa.eu
Weitere Plattformen wie iMessages, Gmail oder die Suchmaschine Bing werden derzeit untersucht (Stand: 11. April 2024). Es ist daher möglich, dass in Zukunft weitere Gatekeeper hinzukommen.
Was ist der Digital Markets Act?
Der Digital Markets Act, zu Deutsch “Gesetz über digitale Märkte”, ist eine EU-Verordnung, die große Digitalkonzerne mit teilweise marktbeherrschenden Stellungen stärker regulieren soll.
Aufgrund von Netzwerkeffekten oder ihrer Größe haben einige Unternehmen zumindest theoretisch die Möglichkeit, ihre Marktmacht zu missbrauchen, um einen fairen Wettbewerb zu verhindern, auch wenn es sich nach bisheriger Rechtsauslegung nicht um ein Monopol handelt.
Der Digital Markets Act verpflichtet die sogenannten Gatekeeper, ihre zentralen Plattformen für andere Anbieter zu öffnen und verbietet ihnen, eigene Produkte und Dienste bevorzugt auf ihren Plattformen zu platzieren.
Was ändert sich bei WhatsApp?
Die Änderungen bei WhatsApp sowie beim Facebook Messenger gehören zu den Auswirkungen des DMA, die für die Endnutzer am unmittelbarsten spürbar sein werden. Konkret verpflichtet die EU Meta dazu, seine beiden Messenger für Drittanbieter zu öffnen. Das bedeutet, dass Nutzer in Zukunft die Möglichkeit haben müssen, Nachrichten von anderen Messengern zu empfangen und zu beantworten.
Nach aktuellen Informationen wird es dafür eine Opt-In-Funktion in den Apps geben. Nutzer müssen also zunächst in der App aktivieren, dass sie in WhatsApp oder im Facebook Messenger auch Nachrichten von anderen Messengern empfangen können und können diese Einstellung auch jederzeit wieder rückgängig machen.
Nach den ersten Screenshots sieht es auch so aus, dass Nutzer diese Erlaubnis für einzelne Drittanbieter-Apps erteilen können oder sogar für jede App einzeln erteilen müssen.
Ein Video des Blogs "TheSpAndroid" gibt Einblicke, wie das Feature wohl aussehen wird:
Was ändert sich für WhatsApp Business?
Für Nutzer von WhatsApp Business wird sich voraussichtlich vorerst nichts ändern. Meta hat bisher keine Änderungen für die WhatsApp Business App und die API im Zuge des Digital Markets Act angekündigt.
Eine Öffnung für andere Messenger könnte jedoch bedeuten, dass die Reichweite von WhatsApp Business auf andere Messenger ausgeweitet wird. Durch die Öffnung von WhatsApp sieht es so aus, dass auch Direktnachrichten von WhatsApp Business Accounts, als auch WhatsApp Newsletter, an andere Messenger versendet werden können.
Gleiches gilt natürlich auch für Drittanbieter. Dies bedeutet, dass Konkurrenzprodukte zur WhatsApp Business Plattform entstehen könnten, die Meta zu Preissenkungen zwingen könnten.
Es ist davon auszugehen, dass die Europäische Kommission im Fall WhatsApp vor allem die Entwicklung von WhatsApp Business und die Entwicklung der Gesprächspreise im Auge behalten wird.
Welche Messenger können mit WhatsApp kommunizieren?
Über welche Apps von Drittanbietern Nutzer in Zukunft mit WhatsApp kommunizieren können, ist bisher noch nicht bekannt.
Der größte unabhängige Anbieter, Telegram, hat sich dazu noch nicht geäußert. Die besonders auf Datenschutz bedachten Messenger-Apps Threema und Signal haben hingegen bereits angekündigt, keine Verknüpfung mit WhatsApp anbieten zu wollen.
Besonders interessant für WhatsApp Business Nutzer dürfte eine mögliche Interoperabilität mit dem Facebook Messenger oder iMessages von Apple sein. Messenger ist nach WhatsApp die weltweit meistgenutzte Messaging-App. Durch eine Integration der eigenen Messenger-Dienste könnten fast 90 Prozent aller Internetnutzer in der EU und den USA mit einer der beiden Apps erreicht werden.
Eine Integration mit iMessages könnte Meta zudem helfen, WhatsApp für den US-Markt relevanter zu machen. Dort ist der Facebook Messenger zwar Marktführer, WhatsApp liegt mit rund 70 Millionen Nutzern aber nur auf Platz drei hinter Apples iMessages.
Wie funktioniert die Integration?
Der Prozess zur Erreichung der Interoperabilität mit WhatsApp oder Messenger wurde von Meta am 6. März 2024, einen Tag vor dem Inkrafttreten des Digital Markets Act, veröffentlicht.
Im ersten Schritt müssen Drittanbieter eine Vereinbarung mit WhatsApp und/oder Facebook Messenger unterzeichnen. Ab diesem Zeitpunkt hat Meta drei Monate Zeit, die Integration umzusetzen.
Die Frist bezieht sich laut Meta auf die technische Umsetzung, nicht auf die Verfügbarkeit beim Endnutzer. Es kann also sein, dass Nutzer länger als drei Monate warten müssen, bis sie Nachrichten zwischen Anwendungen empfangen und versenden können.
Die folgenden Funktionen werden im Laufe des Jahres 2024 implementiert:
- Direkter Versand und Empfang von Textnachrichten
- Direktes Teilen von Bildern, Sprachnachrichten, Videos und anderen Anhängen
Funktionen wie Gruppen oder Anrufe sollen später hinzukommen.
Technisch nutzt Meta für beide Messenger das Signal-Protokoll zur Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Obwohl das Unternehmen Drittanbietern empfiehlt, das gleiche Protokoll zu verwenden, soll auch die Integration mit kompatiblen Protokollen möglich sein, solange diese mindestens die gleichen Sicherheitsstandards erfüllen.
Wem nützt das Eingreifen des Digital Markets App in den Messenger-Markt?
Der DMA zwingt Meta dazu, seine beiden Messenger Apps, WhatsApp und (Facebook) Messenger auch für andere Anbieter zu öffnen. Nutzer müssen in Zukunft die Möglichkeit haben, mit Nutzern der beiden Messenger Apps auch über andere Messenger zu kommunizieren.
Für Endnutzer hat das den Vorteil, dass sie theoretisch zu ihrer bevorzugten Messenger App wechseln können, ohne Kontakte zu verlieren oder in ihren Kommunikationsmöglichkeiten eingeschränkt zu werden.
In der Praxis dürfte sich für die meisten Nutzer nichts ändern. Zum einen, weil Meta einen Marktanteil von ca. 90% (oft mehr) bei Messenger Apps in der EU hat. Zum anderen, weil die verbleibenden Messenger nicht zur Integration gezwungen werden. Da mit Threema und Signal zwei der beliebtesten WhatsApp-Alternativen bereits angekündigt haben, keine Interoperabilität anzustreben, ist davon auszugehen, dass die Mehrheit der Nutzer bei WhatsApp bleiben wird. Tatsächlich könnte WhatsApp sogar der große Profiteur der Verordnung sein. Während sich die DMA bisher vor allem am werbebasierten Geschäftsmodell von Meta zu orientieren scheint, geht der Konzern mit der WhatsApp Business Plattform andere Wege.
Die Öffnung des Messengers wird nicht nur dazu führen, dass WhatsApp-Nachrichten von anderen Messengern empfangen werden können, sondern auch, dass diese Messenger WhatsApp-Nachrichten empfangen können.
Zwar wird die EU-Kommission Meta höchstwahrscheinlich dazu verpflichten, die Plattform für andere APIs zu öffnen, also auch automatisierte Nachrichten von Unternehmen mit Hilfe anderer Anbieter zuzulassen. Allerdings wird es für andere Messenger weiterhin eine große Hürde bleiben, WhatsApp-Nutzer davon zu überzeugen, ihre Zustimmung zum Empfang von Nachrichten ihres Dienstes zu geben.
Das bedeutet, dass voraussichtlich nur ein kleiner Teil der Nutzer den Empfang von Nachrichten anderer Messenger akzeptieren wird, während die Nutzer aller angeschlossenen Messenger weitgehend gezwungen sein werden, Nachrichten von WhatsApp zu empfangen oder WhatsApp zusätzlich zu nutzen.
Die Reichweite für Unternehmen durch die Nutzung der WhatsApp-API dürfte sich daher sogar erhöhen oder zumindest unverändert bleiben.
Sollte die EU jedoch Interoperabilität zwischen den APIs fordern und das derzeit geplante Opt-In-Verfahren für Messenger-übergreifende Nachrichten verbieten, könnte dies dazu führen, dass die Meta die Preise für Konversationen senkt. In diesem Fall dürfte die Nutzung für Unternehmen deutlich günstiger werden. Kurzfristig ist das nicht unbedingt ein Nachteil für Meta, da es die Adaption von Messenger Apps als Geschäftskanal vermutlich deutlich beschleunigen würde.
Welche Risiken hat die Öffnung für die Nutzer?
Die negativen Auswirkungen einer Öffnung betreffen vor allem zwei Themen: den Datenschutz und den Missbrauch der Schnittstelle für Spam oder Betrug.
In Bezug auf den Datenschutz sollte sich für die Nutzer nichts ändern, da Meta die Messenger-Schnittstelle derzeit nur für Nutzern des gleichen oder eines kompatiblen Protokolls zur Verfügung stellt. Das bedeutet vor allem, dass alle Nachrichten Ende-zu-Ende verschlüsselt werden müssen und weder von Meta noch vom jeweils anderen Messenger-Anbieter gelesen werden können.
Auch die Gefahr von Spam dürfte sich bei der derzeitigen Implementierung in Grenzen halten. Zwar wird es höchstwahrscheinlich Anbieter geben, die versuchen werden, Nutzer und Unternehmen mit weniger strengen Richtlinien anzulocken, doch wird WhatsApp wahrscheinlich versuchen, seine eigenen Richtlinien für die Kommunikation zwischen Messengern durchzusetzen.
Darüber hinaus können Nutzer in der derzeit geplanten Umsetzung Nachrichten von anderen Messengern jederzeit ablehnen.
Fazit
Der DMA zwingt Meta dazu, seine Messenger Apps auch für andere Messenger zu öffnen. Dies ist grundsätzlich positiv zu bewerten, da es Netzwerkeffekte reduziert und Nutzern die Wahl eines alternativen Anbieters erleichtert. Da mit Threema und Signal bereits zwei beliebte Alternativen eine Integration abgelehnt haben, relativiert sich dieser Effekt jedoch deutlich.
Die Folge könnte jedoch sein, dass WhatsApp noch mehr Reichweite erhält. Das Geschäftsmodell, das Meta mit WhatsApp verfolgt, dürfte durch die Interoperabilität sogar gestärkt werden.
Für die Nutzer der WhatsApp Business API dürfte sich kaum etwas ändern. Sollte die EU jedoch den Druck auf die Integration alternativer APIs erhöhen, könnte dies die Kosten für Unternehmen deutlich senken und die Verbreitung von Messengern für Marketingzwecke rasant beschleunigen.